Wer sich schon immer mal gefragt hat wie so ein „Traum-Arbeitstag“ eines Autoverkäufers aussehen kann, dem sei dieser Bericht gewidmet. Alle Autoverkäufer die auch solche Arbeitstage haben, herzlichen Glückwunsch – welcome to the Team!

Gestern war es mal wieder soweit – wenn so die Woche beginnt kannst eigentlich gleich wieder nach Hause gehen und dich ins Bett legen…

Mein (Alp-)Traum-Arbeitstag als Autoverkäufer

Eigentlich sah der Tag recht friedlich aus als er sich so in meinem Terminkalender früh am morgen präsentierte – eine Verkäuferbesprechung um 09:00 Uhr, eine Leasing-Rücknahme um 10:00 Uhr mit nachfolgender Auslieferung des Neuwagens, um 13:00 Uhr eine Probefahrt bis morgen und um 14:00 Uhr ein Beratungsgespräch. Irgendwie hoffte ich drauf vielleicht noch am Nachmittag mit einem Freund eine gemütliche 9-Loch-Runde auf dem heimischen Golfplatz gehen zu können als ich in der Früh ins Auto stieg.

Wenige Minuten später dann schon die erste Hiobsbotschaft: der Neuwagen der um 11 Uhr zur Auslieferung ansteht hat ein technisches Problem – ich soll bitte den Termin verschieben. Auf wann? Keine Ahnung bekam ich als Antwort – der Fehler muss im Werk diagnostiziert werden und dann kommt Abhilfe – wie lange dies dauert kann keiner abschätzen. Also habe ich noch im Auto versucht den Kunden zu erreichen, der ja vor Übergabe seines Neuwagens zunächst seinen Altwagen zur Leasingbegutachtung hätte abgeben müssen – Leider erreichte ich weder ihn persönlich noch seine Sekretärin – also Mailbox.

Dann Verkäuferbesprechung – Montag, 09:00 Uhr: Ich weiß beim besten Willen nicht was meinen Chef immer wieder zu diesen Terminen und Besprechungen zwingt – vermutlich hat er eine gewisse Anzahl an durchgeführten Besprechungen in seiner Zielvorgabe – denn es gab NICHTS was meine Kollegen und ich nicht schon gewusst hätten, alle Verkaufsmaßnahmen werden ja über Emailverteiler und werkseitige Emailhinweise so lange in jedes elektronisches Postfach gesteckt bis auch der letzte Verkäufer weiß dass es nun auf das Modell X noch den zusätzlichen Supa-Dupa-Hab-Dich-Lieb-und-sag-keinem-dass-ich-ein-ungefragtes-Modell-bin-Bonus gibt.

Achja – und natürlich, meine Herren, wir haben bald Quartalsende – also bitte alles auf die Strasse was geht – wir brauchen die Zahlen, der Hersteller braucht die Zahlen, nichts stehen lassen, wenn möglich auch die Haltedauer bei Vorführwagen aufheben… blablabla… Irgendwann werde ich meinem Chef mal eine Digitalkamera kaufen, mit der kann er dann einmalig diesen Vortrag aufnehmen und uns dann auf unsere Iphones als Podcast bereitstellen – damit wir morgens mit diesem Mantra sanft geweckt werden… – ich mein: Was glaubt so ein Chef eigentlich? Lassen wir Verkäufer „mutwillig“ irgendwelche Fahrzeuge stehen und liefern sie NICHT aus, lächerlich – schließlich bekomme ich nur Geld wenn ich liefere – und vielleicht haben wir auch noch so was wie einen Kunden der auf sein bestelltes Produkt wartet und den Tag der Übergabe herbeisehnt… – aber egal – mit so einem Podcast würde ich mir das Procedere zur Verkäuferbesprechung vor Quartalsende ersparen – ich glaub ich schlage es ihm wirklich mal vor 😉

Ok, Verkäuferbesprechung fertig, Handy wieder an und viola: 5 neue Anrufe auf meiner Mailbox. Anruf eins – der Kunde der eigentlich um 10:00 uhr die Leasingrückgabe hat und dann um 11 Uhr sein neues Auto übernehmen wollte – noch recht freundlich, Anruf zwei, gleicher Kunde aber schon ungehalten weil ich nicht erreichbar bin. Anruf drei, gleicher Kunde – sehr erzürnt weil ich ihn nach 2 Minuten noch nicht zurückgerufen habe, Anruf vier, der Kunde der für morgen eine Probefahrt ausgemacht hat mit der Bitte um Rückruf und Anruf fünf, die herstellereigene Fahrzeugbank dass sie noch eine Kopie eines Gewerbenachweises für ein Auftrag aus dem März benötigt weil die Revision dies anmahnt.

Jetzt gilts Prioritäten zu setzen – Anruf von der Bank auf Prio „unwichtig“ und los geht’s – zunächst mal den Kunden besänftigen dass sein neues Auto „technische Mängel“ hat und deswegen nicht zur Lieferung bereit steht… – der Kunde ist natürlich nicht gerade begeistert – also um es genau zu sagen: er tobt – und zwar in voller Lautstärke und in voller Ausführlichkeit – es ist ja tragisch und ich kann ihn gut verstehen, aber deswegen so einen Tobsuchtsanfall hinzulegen ist dann doch etwas übertrieben, vor allem weil er ja noch einen fahrbahren Untersatz hat… – Naja… – Begeisterung auf der anderen Seite der Leitung klingt anders, vor allem weil der Kunde natürlich detailliert und genauestens wissen will „WAS?“ sein neues Auto denn nun genau hätte… – vor allem weil er mit seinem jetzigen auch eine ellenlange Werkstatt-Odyssee hinter sich hat und er natürlich nun schon von Anfang an ein „schlechtes Gefühl“ hat – und um diesem schlechten Gefühl ein Ventil zu geben bittet er mich, darüber nachzudenken was ich tun kann damit er wieder ein besseres Gefühl bekommt… Na prima!

Nach diesem Telefonat piepst schon wieder meine Mailbox – es ist schon wieder der Probefahrts-Kunde von morgen dran, er könne nicht verstehen so sagt er mir auf die Mailbox, warum ich mich noch nicht gemeldet hätte und ob das mein Dienstleistungsverständnis wäre… Na prima!

Also Telefonnummer gewählt, und voila – der nächste der mir flapsig am Telefon seinen Unmut entgegnet… – auf meine „Entschuldigung“ dass ich gerade mit einem anderen Kunde telefoniert habe entgegnet er nur „interessiert mich nicht!“ – und eigentlich ruft er nur an, weil er die Probefahrt von morgen auf heute verschieben will… – ein kurzer Blick in den Computer zeigt mir aber dass das Auto bereits über Nacht draußen ist und frühestens morgen gegen 11:00 Uhr frisch gewaschen und gestrigelt für diesen Kunden zur Verfügung steht – so wie wir es eigentlich ausgemacht haben… – nun gut, nach langem Hin- und Her geht’s dann anscheinend bei ihm doch und wir verabreden uns abermals – wie schon vor Tagen geschehen – für morgen 11 Uhr. Nachdem ich auflegte fragte ich mich was denn dann dieser ganze Stress und das ganze Hick-Hack soll wenn es ja nun doch geht…

Den weiteren Vormittag verbrachte ich mit Dingen die mit dem direkten Autoverkaufen nicht wirklich auch nur einen Hauch etwas zu tun haben, denn ein Kunde dem ich vor Jahren zum Leasing noch eine Versicherung verkauft habe hat nun einen Hagelschaden und wer darf alles lösen und in Auftrag geben – RICHTIG! Der Autoverkäufer! Also Gutachter-Termin ausmachen, mit der Spenglerei telefonieren, Termin vereinbaren, Leihwagen auftreiben – natürlich nicht von einer Autovermietung denn der wird von der Versicherung nicht übernommen, sondern aus dem Fuhrpark vom Autohaus – aber bitte unbedingt einen Kombi – am besten gleiches Modell – sowieso klar!

12 Uhr Mittag, noch nichts verkauft, aber hungrig! Also ab zum Essen – schönes Wetter – ab zu meinem Lieblings-Currywurst Verkäufer. Ich hab noch nicht mal den Spiesser zum ersten Bissen meiner Wurst hineingesteckt klingelt schon das Handy – die Kunde für die Probefahrt wären nun da berichtet mir die Infodame – ich schau auf die Uhr: 12:13 Uhr – also 47 Minuten zu früh… – Na prima!

Ich schlinge noch kurz die heisse Wurst runter und schon bin ich um 12:30 Uhr wieder im Autohaus wo mich ein sehr irritiertes älteres Pärchen schon an meinem Schreibtisch sitzend nun ansieht und gar nicht verstehen kann dass mein Schreibtisch verwaist war weil ich mal was Essen war… Vielleicht meinen die ich wohne an meinem Schreibtisch, brauche weder Nahrung noch habe ich sonstige Bedürfnisse…?

Und mit der gleichen Selbstverständlichkeit meinen die beiden, dass ich nun auch noch mitfahre bei der Probefahrt – nein, garantiert nicht! Ich mache keine begleiteten Probefahrten mehr – ich bin nicht lebensmüde – never – no way! Als ich nach EINER STUNDE endlich mit dem Erklären der Grundfunktionen des Mittelklassefahrzeugs fertig war, war der Kunde so verdaddert dass er mich fragte wo denn nun der Blinker sei… – ok – ich sehe er hat das Konzept der Ingenieure verstanden – oder die Ingenieure ihn, egal – also noch mal die „Grundfunktionen“ erklärt und irgendwann hoffte ich darauf dass der Kunde nun endlich zum Hof hinaus rollt – tat er aber nicht – weil ich musste ihm noch das Navigationssystem erklären… 15 Minuten und einige Spracheingaben später rollte endlich die Limousine vom Hof! Na prima!

Uhren-Check: 14:15 – also schnell wieder rein an meinen Schreibtisch es müssten ja die Kunden für ein Beratungsgespräch schon da sein… – Kurze Nachfrage an der Information – niemand hat nach mir gefragt… hmmm… also dann ab an den Schreibtisch – mal schnell die 14 Emails die seit 12:00 Uhr reinkamen beantwortet… – Uhren-Check: 15:00 Uhr – kein Beratungskunde… – draussen in der Ausstellung war ein Pärchen gerade an einem Cabrio mit Sitzproben zu Gange… Uhren-Check: 15:02 – was machst jetzt? Meine Kollegen waren alle in Verkaufsgesprächen oder irgendwo im Haus unterwegs – ich war der einzige Verkäufer der gerade „frei“ war, wenngleich ich eigentlich ja demnächst Kunden erwartete… – also – ab geht’s zum Begrüßen am Fahrzeug. Nach einem kurzen Shakehands wird es schnell klar – hier besteht starkes Kaufinteresse – Kunde hat eigentlich schon den Kugelschreiber in der Hand. Na prima!

Also ab zum Schreibtisch – hinein in die Konfiguration des Wunschautos – Raten kalkuliert, Unterschied Leasing / Finanzierung, Kaffee bestellt an der Info weil nun geht’s ins Abschlußgespräch – also meinte ich, als ich aus dem Augenwinkel meinen für 14:00 Uhr anberaumten Termin für ein Beratungsgespräch vor dem Haus parken sah… – kurzer Uhren-Check: 15:34 Uhr – „nur“ 1 Stunde 34 Minuten Verspätung…

Ich entschuldigte mich bei dem Pärchen gegenüber von mir am Schreibtisch für 2-3 Minuten und hetzte Richtung Eingang. Dort empfing ich meinen „Termin“ – mittlerweile habe ich es mir abgwöhnt nach den Gründen der Verspätung zu fragen, zu niederschmetternd waren die Antworten… – ich sagte einfach, dass der Kunde nun noch, nachdem er sich ja drastisch verspätete, ein wenig gedulden müsse, und bat ihn ins Cafe, ein wenig verdutzt tat er das was ich wollte…

Wieder zurück am Schreibtisch dann auf in die Vertrags-Zielgerade – und 35 Minuten später dann die Ernüchterung: In dem Moment der Unterschrift legte der Käufer den Kugelschreiber wieder zur Seite und holte einen amtlich aussehenden Ausweis raus, Testkäufer! Mysterieshopper wie es neudeutsch heisst! Na prima!

Nun wollte er mit mir und meinem Verkaufsleiter noch ein Abschlußgespräch – aber nachdem ich sowieso eine Testkäufer-Allergie habe und im Cafe noch ein „echter“ Kunde wartet, beförderte ich ihn kurzerhand von meinem Schreibtisch weg ins Verkaufsleitungs-Sekretariat.

Im Cafe angekommen saß der 1,5 Stunden zu spät gekommene Termin und war sichtlich erregt dass ich erst jetzt für ihn Zeit habe… – klar war es mittlerweile: Uhren-Check: 16:10 Uhr – allerdings gingen von der über zweistündigen Verspätung mehr als 2/3-tel auf die Kappe des Kunden… – aber anscheinend gehen solche Kunden davon aus dass man nur sie als Kunden hat – und dass wir Verkäufer den ganzen lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben als auf genau diesen EINEN Kunden zu warten, denn anders kann ich diese Reaktion nicht deuten!

Naja… – Das folgende Beratungsgespräch war eher ein Ausstattungspaket-Nörgeln „Warum geht das nicht, wenn ich dieses Paket nehme…?“ und „warum haben sie das nicht, der Hersteller XX hat dies aber“ etc pp. Schnell war klar dass der Kunde eigentlich nur wenig bis gar kein Interesse an einem neuen Auto hatte – aber anscheinend seine Passion im „Verkäufer-Quälen“ sieht, denn als ich Uhren-Check: 17:15 Uhr – eigentlich schon mit der kompletten Beratung „durch“ war, wollte er noch das gleiche Modell als Kombi und danach noch zwei andere Motorvarianten sowohl als Limousine als auch als Kombi gerechnet haben. Natürlich muss er dies nun alles erstmal auf sich wirken lassen und mit Steuerberater, Frau, Oma, Nachbarn, Papst und Herrn Obama besprechen, und dann würde er sich wieder melden… Vielen Dank!

Uhren-Check: 18:15 Uhr.

Als ich um 18:30 Uhr dann auf dem Zahnfleisch meinen Schreibtisch verließ und nach Hause fuhr habe ich mal überlegt WAS ich denn heute wirklich effektiv gemacht hatte und WIEVIEL ich heute verdient hatte und bin tief im Studium meines hinter mir liegenden Tages zu Hause angekommen, denn natürlich war um 18:30 Uhr an ein wenig geistige Zerstreuung bei einer 9-Loch Golfpartie nicht mehr zu denken… Meine Frau sah mir meinen Tag schon von weitem an und meine beiden Kiddies „verschonten“ mich mit nervenaufreibenden Nicht-ins-Bett-wollen-Arien, anscheinend merkten die auch was ihr Daddy heute wieder alles „erleiden“ musste.