Alle Jahre wieder… – nur nur das für den 24.12. terminierte Weihnachtsfest sondern auch das das Jahresendgeschäft gerade bei uns im Automobilvertrieb schafft es bei Verkäufern, Verkaufsleitern und Geschäftsführern Panikattacken hervorzurufen.
Mich persönlich verwundert es zwar jedes Jahr aufs Neue – aber als „alter Hase“ ist die Verwunderung in sehr homöopathischen Dosen bei mir am wirken und wird immer nur wieder durch leichtes Kopfschütteln bei den nun wieder im zwei- bis dreitages-Takt stattfindenden Verkaufsbesprechungen nebst Zeigen von Zielerreichungsgrad und Runter-/Hochrechnung auf die verbleibende Menge, geäußert. Was ich meine? Das Jahresendgeschäft, die jährliche Abverkaufs-Rallye – dieses „Alles muss raus“ und die gelebte „wenn der Kunde noch nicht will, schmeiss weiteres Geld hinterher bis er will“ was die Profiversion von „Geiz-ist-Geil-Vertrieb“ ist.
Während das ganze Jahr über sehr normale Konditionen herrschen, die Höchst-Nachlassgrenzen niemals und unter gar keinen Umständen überschritten werden dürfen, und auch sonst der Verkaufsleiter beim Kaufpreis die Flexibilität einer Bahnschranke hat, ist spätestens ab Anfang Oktober eines jeden Jahres, dies alles komplett ausser Kraft gesetzt – noch schlimmer: Der Verkaufsleiter bekommt das Zucken und gleichzeitig das Leuchten in den Augen wenn ich ihm die magischen Worte präsentiere: „Der Kunde will das Auto noch dieses Jahr übernehmen“.
Was dann folgt lässt sich mit normalem Vertriebsdenken und erlerntem kaufmännischem Wissen nur noch schwer erklären – denn genau in dem Moment sind plötzlich Nachlässe und somit Preise möglich an die ich zwei Monate vorher nicht mal gewagt hätte einen Gedanken hierzu zu verschwenden. Die Szenen sind vielleicht noch vergleichbar mit einem Einzelhandelgeschäft welches am 31.12. für immer schließt – und teilweise kommt es mir auch so vor, dass die Automobilhersteller vermutlich ab 23.12. für immer die Produktion einstellen… und somit ein Abverkauf stattfindet den es so nie mehr geben wird… – was natürlich ein totaler Quatsch ist!
Nachdem aber alle Hersteller und alle Vertriebe und somit auch alle an dieses kranke System angeschlossenen Vertriebspartner am 31.12. des Jahres ihre Ziele erreichen wollen, sollen und evtl. diese Zielerreichung mit Gold, Weihrauch und Myrre bonifiziert wird, wundert es auch nicht, dass jedes Autohaus auch wirklich alles tut um auch nur irgendwie an diesen Prämientopf zu kommen – koste es was es wolle – im wahrsten Sinn des Satzes. Eigentlich ein totaler Irrwitz… – während wir unter dem Jahr „solche“ Geschäfte niemals nicht machen würden, ist das unmoralischte Angebot gerade gut genug – hauptsache, der Kunde übernimmt das Fahrzeug noch vor oder zum 31.12.
Alles ist möglich, nichts ist unmöglich – Leasing vorzeitig auflösen, Finanzierungen auch ohne Restwertgarantie zum Buchwert ablösen, heftigste Überzahlungen auf den Altwagen – alles was das Herz begehrt – und wenn das auch nicht reicht, kann sogar noch vom herstellereigenen Vertriebsmanager noch irgendein Sonderbonus über irgendwelche dubiosen Kanäle eingeholt werden. Als Fussball-Fan habe ich schon vor Wochen, als die ersten Meldungen über ein „gekauftes Sommermärchen“ zur WM 2006 in die Zeitungen geschrieben wurden, gewisse Parallelen mit dem Automobilvertrieb hierzulande feststellen können… Die Autohäuser verschenken die Ware zum Selbstkostenpreis um dafür am 31.12. tolle Ausschöpfungsprämien zurück zu erhalten. Während sich Fussball-Deutschland aber über diese Tatsache aufregt und die Stammtische zwischen Flensburg und Garmisch das Thema bis zum Geburtshaus von Franz Beckenbauer diskutierten, haben wir Automobilverkäufer hier schon ein anderes Verständnis – wobei, das Wort Verständnis würde implizieren dass wir wirklich verstehen was und warum diese Jahresend-Rallye so alljährlich stattfindet…
Kaum einer kann, realistisch betrachtet wirklich „verstehen“ was da abgeht, aber wir alle partizipieren an diesem kranken System indem wir auch noch Lieschen Müller die eigentlich erst im Mai kommenden Jahres ein neues Auto benötigt so lange unmoralische Angebote machen bis auch die noch zustimmt – immer vorausgesetzt das Auto wird auch wirklich noch dieses Jahr übernommen…
Meine Kollegen und ich haben uns wie Leguane an diesen Umstand angepasst, und führen das ganze Jahr über eine Schattenliste, wo wir immer schnell entschlossene äußerst preissensible Kunden aufnehmen, die wir dann, wenn die Schleusen im Rabattbereich geöffnet werden, dann sofort anrufen um die Schnäppchen unters Volk zu bringen. Wenn ich mir so ansehe was da in den letzten Wochen an Aufträgen mit kurzfristigen Lieferzeiten so eingegangen ist, dann arbeite viele Verkäufer eigentlich nur im Oktober und November wirklich effektiv… Klingt komisch, aber bei dem einen oder anderen werden in diesen zwei Monaten die gleiche Anzahl von Autos verkauft wie als Summe in den anderen 10 Monaten eines Jahres – „Alles muss raus“ machts möglich.
Natürlich könnte man sich fragen, ob es kaufmännisch nicht besser wäre über das Jahr immer sehr gute Nachlässe und Aktionen anzubieten, bevor man am Ende des Jahres alles was man sich erwirtschaftet hat zunächst komplett vernichtet um dann vom Hersteller wieder reich entlohnt zu werden für seinen Einsatz – aber nachdem fast jeder Verkaufsleiter hierzu nur die Antwort hat, dass das System halt so ist und dies schon seit Jahren so praktiziert wird, werden diese kaufmännischen Gedanken und die daran angehängte Moral schnell über Bord geworfen, denn am 1.1. beginnt jedes Autohaus und jeder Vertrieb wieder bei null Einheiten – und das Rattenrennen beginnt von vorne… – das allerdings Einheiten nicht unbedingt etwas mit Ertrag und Gewinn zu tun haben, hätte man in der ersten Stunde des VHS-Kurses „kaufmännisches Rechnen für Einsteiger“ bestimmt erlernen können…
Natürlich bediene auch ich das System, allerdings muss natürlich hier mit einem spitzen Bleistift gerechnet werden… – Stichwort Zielerreichung und das Jahr danach… – ein Glück dass ich immer noch am Ende des Jahres viele Urlaubstage habe, die ich ja auch bis zum 31.12. genommen haben muss… 😉
Dieser Darstellung kann ich nicht folgen.
Unser System ist seit Jahren krank. Aktionen und
Super-Super Angebote gibt es das ganze Jahr, nicht erst
im Dezember.
Die Preise, und vor allem die Rendite und Provisionen
sind im Keller. Das scheint aber keinen zu stören.
Die Verkäufer lassen sich, wie eh und je, geiseln von
Mysteryshopping und anderen Schikanen und die
Verkaufsleiter basteln schön an Ihren Statistiken
und winseln nach oben.
Frohe Weihnachten