Im dritten Teil meiner kleinen Reihe: „Der klassische Gebietsverkauf im Autohandel stirbt!“ widme ich mich nochmal der Loyalität – im Besonderen der Kundenloyalität gegenüber Autohaus und Verkäufer.
Die Loyalität gegenüber Autohaus und Verkäufern
Auch diese Werte sind seit Jahren im Sinkflug. Autohäusern gelingt im Service noch eine relativ hohe Loyalität bei den Kunden die ein Fahrzeug bis zu einem Alter von 5 Jahren ihr Eigen nennen. Hier gibt es durchaus Werte von 80% Loyalität gegenüber dem Service eines Autohauses – anscheinend verbindet es wirklich wenn man schon einiges miteinander erlebt hat und der Serviceberater „helfen“ konnte.
Genau den gegenteiligen Trend kann man bei der Loyalität gegenüber dem Verkäufer erkennen. Hatte früher noch eine ganze Familie nebst Onkeln, Schwagern und deren Kindern einen Automobilverkäufer Ihres Vertrauens ist die Loyalität gegenüber einem Verkäufer bei unter 50% angekommen.
Gerade der klassische Gebietsverkäufer der einmal im halben Jahr beim Kunden angerufen oder noch klassischer – vorbeigefahren ist, bekommt heutzutage kaum mehr die Möglichkeiten eine Geschäftsbeziehung aufzubauen – und somit eine Bindung zwischen dem Kunden und der Verkäuferpersönlichkeit zu intensivieren und eine Loyalität zu fördern. Auch in bestehenden langjährigen Kundenbeziehung reichen heute schon Urlaub, Krankheit, ein um 500 Euro günstigeres Angebot oder ein gewieftes Super-Sonder-Tages-Nur-Heute-Angebot und der Kunde gibt seinem langjährigen Verkäufer nicht mal mehr die Chance dass Geschäft noch zu „retten“, sondern unterschreibt beim Kollegen oder noch schlimmer beim Händlerkollegen – meist genommene Rechtfertigung ist dann bei Nachfrage: „Zum Service komm ich ja dann wieder in ihr Autohaus“.
Dem Gebietsverkäufer gelingt es nicht mehr den Kunden effektive über Jahre „beim Verkäufer“ zu halten. Während mir die „alten Hasen“ sogar erzählten dass ihr letztes Jahr vor der Rente immer das Beste Jahr war, weil Kunden nochmal bei IHREM Verkäufer ein Auto kauften, gilt es nun als chic mal beim Kollegen, beim Interbrand- oder beim Wettbewerb vorstellig zu werden!
Die langjährig gewachsene Bindung zwischen Verkäufer und Kunden ebbt immer mehr ab – und gerade von dieser Bindung lebt(e) ein Gebietsverkäufer! Viele Gebietsverkäufer suchen immer noch nach den Gründen für dieses „Phänomen“ – meistens kann es allerdings eingegrenzt werden:
Gründe für die sinkende Loyalität auf der Kundenseite:
Es gilt als „chic“ sich mehrere Offerten von verschiedenen Verkäufern, Autohäusern und Wettbewerbern anbieten zu lassen – eine Anfrage bei nur einem Verkäufer ist äußerst selten geworden – der Kunde ist „mündiger“ gleichzeitig auch mißtrauischer geworden – hört nun auch auf Nachbarn, Stammtisch-Brüder, Autozeitungen etc. – und oftmals suggerieren die dort verbreiteten „Lügen“ von gewissen Autopäpsten & Co. dass der Verkäufer den Kunden anscheinend ja jahrelang über den Tisch gezogen hat, weil ja alle anderen 30% Nachlass bzw. traumhaft niedrige Leasingraten auf den Neuwagen bekommen haben, nur man selber anscheinend nicht – keiner verschenkt gerne Geld – deshalb wird beim nächsten Auto genauer hingeschaut und mehrere Angebote eingeholt.
Kunden entgehen mittlerweile gezielt der engen Bindung an nur einen Verkäufer – gerade während der Phasen zwischen einem Autokauf – tauchen die Kunden gerne „unter“, sind nicht erreichbar, wollen auch nicht kontaktiert werden oder sagen von sich aus dass sie die ganzen Anrufe während der Laufzeit nicht benötigen und von sich aus auf den Verkäufer zukommen wenn sie etwas wollen & brauchen.
Gründe für die sinkende Loyalität auf der Verkäuferseite:
Ein Gebietsverkäufer kann sich heutzutage gar nicht mehr so intensiv um seine Kunden „kümmern“ – mal abgesehen von irgendwelchen Datenschutzerklärungen in denen der Kunde den telefonischen Kontakt untersagt, hat der Verkäufer im 21. Jahrhundert bei einer jährlichen Stückzahl von 80 Fahrzeugen alleine in den vergangenen 12 Jahren seit dem Millenium fast 1000 Fahrzeuge ausgeliefert – somit also 1000 Kunden bedient… – jedes CRM-System würde bei dieser Stückzahl kapitulieren wenn man versucht diese 1000 Kunden einmal im Jahr durchzutelefonieren oder… zu besuchen! Und ohne Kontakt zum Kunden braucht man eigentlich sich nicht beschweren wenn die Bindung zum Verkäufer fehlt.
Auch die intensive Betreuung von „wichtigen“ Meinungsbildnern und „Markenbotschaftern“ gelingt heute aufgrund verschiedener Faktoren kaum noch erfolgsversprechend! Der Grund wird mit dem Universal-Unwort COMPLIANCE – allübergreifend beschrieben. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ gilt einfach im Automobilbereich nicht mehr – man kann den „Markenbotschafter“ nicht mehr zum Essen einladen, ihm eine gute Flasche Wein zum Geburtstag vorbei bringen oder ihm, nachdem er einen Kunden „vermittelt“ hat, einen kostenlosen Werkstatt-Aufenthalt als Dank verschenken – somit ist das „Kunde wirbt Kunde“-Prinzip auch nicht mehr durchführbar!
Um eine gewisse Verkäuferloyalität beim Kunden aufzubauen benötigt der Verkäufer Zeit, viel Zeit – und die langjährig gewachsene Bindung zwischen Verkäufer und Kunden beruht nunmal auf dem Faktor: Zeit. Der Gebietsverkäufer hat aber nicht mehr die Zeit sich intensiv mit Kunden zu beschäftigen – eigentlich paradox – aber die wenige Zeit die einem Gebietsverkäufer effektiv bleibt, nutzt er verständlicher Weise zum Verkaufen, nicht zur Kontaktpflege – denn von Kontaktpflege kann sich kein Verkäufer akut ernähren – und jeder Verkäufer denkt nur noch monats- maximal quartalsweise, nicht in 5-Jahres-Schritten – verständlich – denn bei dem niedrigen Fixum von oftmals unter 500 Euro ist die Kunden- und Bestandspflege inkludiert! Dann lieber ein Auto verkaufen, schnell, das bringt wenigstens Geld!
Der Gebietsverkäufer mutiert also immer mehr zum Schreibtischtäter ohne Ladenpflicht und hetzt nur den Kunden hinterher die kurz vor einem Vertragsabschluss stehen – Bestandskundenpflege bzw. aus Bestandskunden neue Kaufkunden zu machen? Fehlanzeige!
Rabattschlachten nutzen keinem und zerstören Kunden-Verkäufer-Bindungen
Wie wir allerdings wissen, holt sich heute ein kurz vor Vertragsabschluss stehender Kunde mehrere Angebote ein, und somit kann der Gebietsverkäufer nur mitbieten, nicht anbieten – oftmals geht dann die Rabattschlacht nochmal in eine neue Runde denn die verschiedenen Verkäufer versuchen – jeder für sich – das Geschäft zu machen – und nachdem das Produkt identisch ist, zählt letztendlich bei der Kundenentscheidung lediglich der Preis! Das natürlich die Marke aber auch gerade das Autohaus mit seiner Marge der Verlierer ist, wenn sich zwei und mehr Vekäufer des Autohauses um einen Kunden „streiten“, muss, denke ich nicht extra erwähnt werden.
Der Gebietsverkäufer hat keine besondere Stellung im Automobilvertrieb mehr – er kann nichts besser, schneller oder günstiger – er kann nur das was seine Kollegen im Ladenverkauf auch können – nicht mehr – aber auch nicht weniger – er bietet dem Kunden keinerlei Anreize das Automobil gerade bei ihm zu kaufen. Somit ist es dem Kunde auch nicht mehr wichtig bei genau diesem Verkäufer das Produkt zu kaufen – warum auch?
Internet und Interbrand-Wettbewerb mit Stückzahldenken haben diesen Trend eingeläutet – der Rest kann bequem per Telefon und Email abgehandelt werden. Ein Kunde aus Hamburg kann heute ohne Probleme den besten Preis für sein Automobil in München bekommen und es dann bequem im Werk in Ingolstadt abholen. Territoriale Marktausschöpfungen der Verkäufer spielen keine Rolle (mehr) – die Gebiete der Gebietsverkäufer bieten zwar Potential – allerdings für ALLE Verkäufer der Marke – und der Gebietsverkäufer kann auf tollen Statistiken sehen wie viele Kunden nun ein Produkt seiner Marke im letzten Monat gekauft haben – allerdings nicht bei ihm.
Man „braucht“ den Verkäufer nicht mehr – und forciert wird dies noch über die mangelnde Persönlichkeit von Autohäusern.
Autohäuser sind heutzutage Clone – ähnlich wie Fast-Food-Ketten ist der CI bis in die Fugenfarbe gleich – es fehlt an Eigenständig, an Persönlichkeit und an klangvollen Namen!
Während man früher in Autohäusern von großen Legenden des Motorsports sein Auto kaufte und diese Legenden vielleicht bei der Auslieferung, ganz sicher aber bei Events vor Ort waren und faszinierten, kauft man heute bei voll anonymisierten Händlern mit zig Betrieben, standardisierten Abläufen, standardisierten Verkäufern und standardisierten Ruf und anonymisierten Inhabern und Geschäftsführern.
Durch diese einheitlichen Auftritte sinkt allerdings die Bindung und Loyalität zum Autohaus und dadurch natürlich auch zum Verkäufer – und gerade Gebietsverkäufer „leiden“ unter der Standartisierung zusehens – ihnen bleibt kein Spielraum die eigene individuelle Note als Verkaufsinstrument einsetzen zu können.
Genaugenommen müssten diese Autohaus-Clone auch alle den gleichen Preis für das gleiche Produkt anbieten – deutschlandweit kostet der Cheeseburger bei McDonalds oder das Iphone im Apple-Shop auch überall das gleiche…
Würde jedes Autohaus für das gleiche Produkt den gleichen Preis berechnen würde auch die Verkäuferpersönlichkeiten im Gebietsverkauf wieder mehr in den Vordergrund rücken!
Frank, die Situation ist aus Deiner Verkäufersicht gut beschrieben. Insofern herzlichen Glückwunsch zu diesem guten Artikel. Der für mich entscheidende Satz ist: „Der Gebietsverkäufer hat keine besondere Stellung im Automobilvertrieb mehr – er kann nichts besser, schneller oder günstiger – er kann nur das was seine Kollegen im Ladenverkauf auch können – nicht mehr – aber auch nicht weniger – er bietet dem Kunden keinerlei Anreize das Automobil gerade bei ihm zu kaufen.“
Hier reden wir aber bitte nicht über DAS Autohaus, DIE Marke oder DAS Vertriebssystem. Hier reden wir über die Persönlichkeit des Verkäufers. Jeder ist doch seines Glückes Schmied! Wenn ich als Verkäufer der Auffassung bin, dass mit dem Feierabend auch das Handy ausgeschaltet sein soll, dass Kundenkontakte bitte nur während der allgemein üblichen Arbeitszeit stattzufinden haben, dass E-Mail-Anfragen gar nicht oder erst nach mehreren Tagen beantwortet werden, dass Rückrufe nicht erfolgen, dann wird das auch nichts mit einer besseren Kundenbeziehung.
Frank, Du schreibst von durchschnittlich 80 verkauften Fahrzeugen p. a. seit dem Jahr 2000. Welcher Verkäufer kann denn davon leben? Und was machen solche Leute eigentlich mit dem Rest ihrer Arbeitszeit? Kontaktpflege kann es wohl nicht sein?
Ich habe Verkäufer kennengelernt, die pro Monat 20 und mehr Fahrzeuge verkaufen. Allerdings nicht in der guten, alten Zeit, sondern heutzutage. Die haben aber auch ein funktionierendes CRM-System, nutzen alle Möglichkeiten der sozialen Medien und sind für ihre Kunden DER/DIE Ansprechpartner/in rund ums Auto. Also auch, wenn der Kunde mal eine Frage zwischendurch hat, der Wagen nicht anspringt oder Fragen zu einem Unfall entstehen. Diese Leute profilieren sich nicht als Verkäufer im klassischen Sinn, sondern als Problemlöser für den Kunden. Das erzeugt Loyalität, kostet aber auch viel Zeit. Letztendlich kommen aber viele Kunden gerne wieder.
Viele Grüße,
Derek
Hallo Derek,
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Wie wahr doch diese zwei sätze eigentlich sind… – dennoch leider in der heutigen Zeit – von Seiten des Vertriebs – nahezu unerwünscht! Ein Verkäufer kann seine eigene Persönlichkeit nur noch in homöopathische Dosen „ausleben“. Es gibt für alles Richtlinien, Vorgaben und genaue Abläufe – eine eigene Persönlichkeit ist – gerade bei den Premiumherstellern – nicht mehr erwünscht! Während in den 80er und 90er Jahren gebetsmühlenartig immer wieder auf den Seminaren gepredigt wurde dass das Erfolgsrezept zu sein scheint „Anders zu sein als Andere“ ist es heute von obersterer Heeresführung unter Androhung von eklatanten Einschnitten verboten auch nur einen Hauch anders zu sein! Auch der glückliche Schmied ist heute im Automobilvertrieb auf das Wohlwollen seiner Vorgesetzen und derer Vorgesetzten angewiesen. Ein Verkäufer der über Jahre das doppelte seiner Kollegen verkauft, muss einfach hoffen und bangen dass dies niemandem ein „Dorn im Auge“ ist – sonst bekommt er morgen einen Kollegen hinzu mit dem er sich dann Stückzahl und Provision teilen kann… – Crazy?
Ich kann Dir in meinen vielen Jahren bei verschiedenen Marken und Autohäusern immer wieder von Kollegen berichten die dies ereilt hat – einmal war ich sogar schon selber von so einer Entscheidung betroffen die lapidar mit den Worten „…wir haben Sorge dass sie sich nicht mehr ausreichend um die Kunden kümmern, wenn sie so viel verkaufen..“ abgetan wurde. Der Ursprung dieser Entscheidung fußte allerdings vermutlich auf der Tatsache dass ich viele (Zu-)Arbeiten delegieren musste, weil mir schlicht und einfach die Zeit fehlte – und nach der Halbierung des Kundenstammes hatte ich wieder mehr Zeit – allerdings auch nur die Hälfte der Provision.
Ja Derek ich schreibe von durchschnittlich 80 NEU-Fahrzeugen p.a. – und glaub es mir – diese Zahl ist eigentlich noch zu hoch! Der durchschnittliche Laden- oder Gebiets-Verkäufer bei einer der drei deutschen Premiummarken verkauft im Schnitt 60 Neuwagen im Jahr – der überdurchschnittliche Autoverkäufer bei einer der drei Premiummarken 75 Neuwagen. Flottenverkäufer verkaufen mehr und verdienen pro Fahrzeug weniger sodass schlussendlich auch diese Flottenverkäufer auf den Verdienst der überdurchschnittliche Autoverkäufer kommen.
Frank, eine richtig gute Frage! Um ehrlich zu sein – ich weiss es nicht! Ich werde sicherlich dieses Jahr noch den einen oder anderen Blog zu diesem Thema machen, denn genau an diesem Punkt „davon leben“ wird es schwierig! Alleine die Diskussion die sich zu meinem Beitrag „Mythos Einkommen / Gehalt: Was verdient ein Automobilverkäufer wirklich?“ mittlerweile entwickelt hat zeigt ein sehr düsteres Allgemeinbild – das es sicher aus mehreren Blickwinkeln zu durchleuchten gilt!
Glaub mir – die arbeiten und strampeln! Die Vertriebe haben seit den 1980er Jahren bei den Verkäufern eines geschafft: Immer weniger Verdienst bei immer mehr administrativer Tätigkeit und immer weniger verkäuferischer Tätigkeit. Nicht zuletzt die zig-ste Krise hatte bei den Autohäusern zur Folge dass die Zuarbeiter eines Automobilverkäufers immer mehr ausgedünnt wurden und der Verkäufer immer mehr Tätigkeiten übernehmen „durften“ die Nichts mit dem Wort „VERKAUFEN“ zu tun haben. Wenn ich vor meinem geistigen Auge nochmal die vergangene Woche ablaufen lasse komme ich – maximal – auf 8 Stunden die ich mich intensiv mit dem Verkaufen beschäftigt habe – der Rest der Zeit ging drauf für irgendwelche unsinnigen Meetings, lesen von unsinnigen Vertriebsmitteilungen (das das Schiebedach derzeit nur mit beleuchteten Innenspiegeln beim Nischenmodell lieferbar ist… – oder so ;-), Auftreiben von Kundenunterlagen (Zulassungen, Wunschkennzeichen, Steuererklärungen etc.), zwei Online-Wissenstest (jeweils 2 Stunden, weil hiervon jeweils 1,5 Stunden eine Videopräsentation angesehen werden musste zu der ich dann im Anschluß einen Test machen „durfte“) – sieben Neuwagenauslieferungen mit zwei Inzahlungnahmen und vier Leasing-Rücknahmen.
Achso – ja und da war dann noch mein Lieblings-Zeitkiller: Der Testkäufer… – hat mich auch nochmal 2 Stunden gekostet – erst die Beratung, dann der Vertrag, dann das Coming-Out und die Präsentation seines Ergebnisses in meinem Beisein an meine Verkaufsleitung.
Und Du fragst wirklich was jemand mit seiner Arbeitszeit macht? Die 8 Stunden Verkauf waren drei Probefahrten (inkl. Fahrzeugübergabe, erklären der wichtigsten Funktionen, Rücknahme nach der Probefahrt und Angebots- bzw. Vertragserstellung) – sowie zwei Neuwagenverträge von Kunden die mich im Autohaus „aufsuchten“ – was wäre nur gewesen wenn ich keine Zeit gehabt hätte, weil ich gerade im Aussendienst oder in einer Auslieferung gewesen wäre… sowie drei Gebrauchtwagenbewertungen und ca. 10 gezielten Telefonaten mit Kunden und Interessenten.
Es mag die Verkäufer schon geben die 20 und mehr Neufahrzeuge verkaufen – allerdings nicht im Premiumsegment – nicht im Individualkundengeschäft ohne Flottenkunden! Wenn doch – mache ich mit Dir jede Wette sind diese Jungs und Mädels entweder solo, geschieden, stehen oder sind bereits voll im Burn-Out, arbeiten 70-80 Stunden die Woche und haben ihre sozialen Bindungen lediglich in Facebook! Gerne kannst Du auch den Gegenbeweis antreten und mir diese Verkaufsprofis bitten in diesem Blog ihr(e) Geheimnis(se) zu verraten! Allerdings stimmt es mich betrüblich dass Du selbst schon einschränkst dass dieser „Service“ Zeit kostet…
Eine ganz einfache Rechnung sei mir erlaubt:
20 Neufahrzeuge verkaufen = 30 Stunden
hiervon 10 GW-Bewertungen = 10 Stunden
und 8 Probefahrten = 8 Stunden
20 Neufahrzeuge liefern = 30 Stunden
hiervon 10 Inz / L-Rück = 10 Stunden
wer 20 Neuwagen verkauft hat ca. 40 Angebote gemacht die nichts geworden sind, aber auch Zeit kosteten
40 Angebote
davon 20 live, 20 Telefon = 40 Stunden
von 20 live 8 GW-Bewertungen = 6 Stunden
von 20 live 10 Probefahrten = 10 Stunden
22 Arbeitstage jeweils 1 Stunde administrativen „Kram“ und 1 Stunde „Kundenservice (Auto springt nicht an, Unfall etc.)“
= 44 Stunden
Zwischensumme = 174 Stunden
Die Frage muss erlaubt sein WANN dieser VERKÄUFER dann seine INTERESSENTEN zu KUNDEN macht – und vorallem wie? Um 20 Autos zu verkaufen benötigt er ca. 200 zielgerichtete und von CRM-Systemen aufbereitete Kontakte die er auch alle sofort erreicht, die innerhalb kürzester Zeit am Telefon oder vor Ort Kaufwunsch oder -ablehnung signalisieren und die bereits bei einem Kaufwunsch vollumfänglich über das neue Auto informiert sind und die ihre Ausstattungswünsche runterbeten können… – professionelle Callcenter kalkulieren in dieser Art der Kundenakquise derzeit mit 10 Minuten je Kunde
200 x 10 Min. = 33 Stunden
Summasumarum: = 207 Stunden (in Worten: zweihundertundsieben Stunden)
puhh… da wird es aber eng mit Freizeit, Familie, Kinder, Hobbies, Einkaufen gehen, Arztbesuche, oder oder oder…
ach ja und da fehlt ja auch noch der Testkäufer und die wöchentliche Verkaufsbesprechung – aber wir wollen nicht kleinlich sein…
Ich bin nicht allmächtig und spiele mich als Sprecher der Verkäufer auf – ich kann Dir nur sagen dass die Schmerzgrenze bei vielen Verkäufern mittlerweile bereits überschritten ist! Ich bin gerne der von Dir zitierte Problemlöser meiner Kunden – absolut – aber bitte im Rahmen und mit der entsprechenden Augenhöhe! Ich empfinde es als extrem unhöflich wenn man mich am Sonntag nachmittag auf meinem Firmenhandy anruft und mit mir bestimmte Ausstattungen und dessen Sinn und Bedeutung durchsprechen will, oder irgendwelche Lackierungs-/Polster Farbkombinationen – und Derek, ganz ehrlich – du brauchst nicht glauben dass einem Verkäufer diese Sonntagsberatung auch nur irgendeinen Cent mehr bringt – dass der Kunde dies schätzt wenn ich den 24-Stunden-Verkäufer mime… – und mich nicht auspresst wenn es in die Preisverhandlung geht – und mir Angebote vom Interbrand vorlegt und es akzeptiert dass wir zwar teurer, aber dafür immer erreichbar sind! Mit NICHTEN! Es ist ein Irrweg zu glauben dass ich durch ständige Erreichbarkeit des Verkäufers die Kundenloyalität steigern kann!
Gerne zitiere ich in diesem Fall nochmals Wikipedia: „Lt. Wikipedia bezeichnet Loyalität die auf gemeinsamen moralischen Maximen basierende und somit von einem Vernunftinteresse geleitete innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft“
gemeinsamen moralischen Maximen – würde ja im Umkehrschluss auch bedeuten dass ich den Kunden am Sonntag anrufen kann – oder meinen Handyverkäufer, meinen Küchenverkäufer, meinen Immobilienverkäufer, meinen Zahnarzt oder oder oder… – Deiner obigen Ausführung angemerkt würde der Anruf beim Automobilverkäufer wenn der Wagen nicht anspringt dem Anruf bei meinem Immobilienverkäufer gleichkommen wenn die Heizung ausfällt… – wenn Du das machst mag das für Dich ok sein, ich rufe dann doch lieber den Heizungsfachmann an – und am Sonntag den Notdienst der auf meinem Heizungsbrenner mit einem Aufkleber steht…
Frank,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich lerne ja immer wieder dazu, und das mache ich gern.
Deine Erläuterungen zum Tagesablauf usw. finde ich schon sehr aufschlussreich. Ich maße mir dazu keine weiteren Kommentare an, das ist übel genug. Die Frage ist aber, wie man aus der Nummer wieder rauskommt?!
Ja Derek – ich glaube dieser Blog wird sich in den kommenden Monaten / Jahren noch öfters mit diesem Thema beschäftigen… – aber es gibt hierfür noch nicht den Königsweg – und ein „love it or leave it“ mag vielleicht richtig klingen… vielleicht…
Auch mein Blog wird den Automobilvertrieb nicht revolutionieren – soviel steht fest – und wir Automobilverkäufer werden aus dieser Nummer nicht (mehr) rauskommen!
Ich denke der Automobilvertrieb geht in den kommenden Jahren schnell – sehr schnell in eine neue Epoche!
Der klassische Gebietsverkäufer stirbt – diese Berufsbezeichnung und Tätigkeit wird es schon bald nicht mehr geben – ich möchte nicht vorgreifen – aber ich hab noch ein paar Indizien und Thesen hierzu im Köcher die ich in den kommenden Wochen in meiner kleinen Reihe veröffentlichen werde!
Die Ladenverkäufer werden aufgrund der Modellvielfalt und dem weiteren Ausbau der Nischenmodell-Reihen jeweils zu Beratungs-Spezialisten für jeweils 1-2 Modellen mit Fixgehalt ( ca. 40.000.– Euro). Wie Audi-City bereits eindrucksvoll in London zeigt sind diese Beratungs-Spezialisten mehr so Multimedia-Filmvorführer mit IT-Wissen und ein wenig Automobil-Hintergrund und Ipad in der Hand zur Auswahl von Farben, Felgen etc. Die Bestellung erfolgt dann nach der Präsentation online – egal ob im Präsentationsraum, oder mit einem QR-Code vom Küchentisch in Castrop Rauxel – weil es egal ist WO der Kunde bestellt – überall gibt es sowieso den gleichen Preis (vergl. Apple, Amazon, Rolex) für die gleiche Ware und die Inzahlungnahmen sind soweit standartisiert dass auch hier ein einheitlicher Inzahlungnahmepreis gelten wird. Der Kunde kann noch wählen ob er das Auto im Werk abholen oder zugestellt haben will. Die Auslieferung übernehmen dann professionelle Auslieferer die Zeit haben alle Fragen zu beantworten, die gerne die Anhängerkupplung montieren und die gerne Tante Hedwig auch nochmal das Navigationssystem erklären weil sie einmal im Jahr vom Enkel zur Kur chauffiert wird.
Glaubst Du nicht? Warte ab – ist nicht mehr lang…!
Alles andere ist unrealistisch – glaubst Du wirklich dass die Premiumautomobilhersteller plötzlich umdenken? Wie müsste das Umdenken aussehen? Ein Kunde der ein Produkt einer dieser drei Premiumhersteller kaufen will erwartet nunmal auch Premiumservice… – paradox nur, dass der Verkäufer die Kundenerwartungen nach Premiumberatung und Premiumauslieferung durch den Faktor Geld = Zeit (bitte nicht verwechseln mit Zeit ist Geld!!!!) nicht mehr abdecken kann… – ein wechselwilliger „Golffahrer“ trifft auf Premiumverkäufer die mit einer Mindestprovision i.H.v. 200.- bis 250.- Euro für ihr Premiumprodukt in der Kompaktklasse das Premiumfeuerwerk ableisten sollen denn dies erwartet der wechselwillige „Golffahrer“!
Jeder Premiumhersteller wird bis 2020 zehn bis fünfzehn neue Modelle auf den Markt bringen… – somit ist dann das Produktportfolio auf teilweise über 20 Baureihen angewachsen – WER soll die noch alle beherrschen? Um Premiumberatung bieten zu können sollte man aber alles (!) wissen… unmöglich… – ich hab heute schon so meine Schwierigkeiten in welchem Paket sich wohl beim Modell X und beim Modell Y der Schminkspiegel versteckt hat… 😉
Ergo – Spezialisierung auf bestimmte Baureihen – Verkäufer X wird Baureihe U verkaufen, Verkäufer Y wird Baureihe P verkaufen… – wobei dann auch noch nicht der schnöde Mammon geklärt wäre… – denn LEISTET ein Verkäufer der ein Fahrzeug aus der Oberklasse verkauft wirklich mehr als ein Verkäufer der ein Fahrzeug der Kompaktklasse verkauft – sodass auch die höhere Provisionszahlung gerechtfertigt ist – oder ist es nicht u.U. so dass effektiv eine Kompaktklasse viel schwieriger zu „verkaufen“ ist?
Wie wäre es mit Stücklohn – egal welche Baureihe – aber dann fair:
Angebot an Kunden mit Datenschutzvereinbarung: 100.– Euro
Probefahrt durchgeführt: 100.– Euro
Inzahlungnahme-Angebot durchgeführt: 100.– Euro
Kaufabschluß: 300.– Euro
Auslieferung: 300.– Euro
Leasing Abwicklung / Inzahlungnahme 100.– Euro
Macht ein Verkäufer alles selbst, darf er auch ruhig Geld dabei verdienen – gibt er es ab (Auslieferung, Leasing-Abwicklung) bekommt er halt weniger.
Ideen wären also genug vorhanden 😉 – nur der Glaube an die Vertriebe die man nunmal für die Realisierung und Durchführung dessen benötigt werden würden ist – zumindest bei mir – kaum vorhanden!